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Die gefährliche Situation der Anwaltstätigkeit im Iran



April 16, 2020

Wahrscheinlich wissen Sie, dass die Anwaltstätigkeit im Iran mit großen Gefahren, sowohl für die Anwälte selbst, als auch für die politischen Angeklagten, einhergeht. Das Recht sich zu verteidigen und das Recht auf einen Anwalt seiner Wahl, sind beide mit großen Schwierigkeiten verbunden.

1) Womöglich wissen Sie, dass im Iran der 1980er Jahre viele Gegner hingerichtet oder harte Gefängnisstrafen verhängt wurden. Zweifellos hätte kein Gericht solch folgenschwere Urteile fällen können, wie sie es in diesen Jahren taten, wenn ein kundiger Rechtsanwalt neben einem Angeklagten gestanden hätte. Revolutionsrichter konnten damals in Abwesenheit der Anwälte drastische Urteile verhängen. Man muss bedenken, dass damals wie heute viele Anwälte im Gefängnis saßen und viele gezwungen waren, ins Exil zu gehen.

2) Ungefähr zu Beginn der 1990er Jahre öffneten sich für die Anwälte die Türen der Revolutionsgerichte. Trotzdem stand den Anwälten noch ein langer Weg bevor, denn noch immer stand sehr deutlich an den Türen der Gerichtssäle geschrieben: „Anwälte nicht gebilligt!“.

3) Zum Ende der 1990er Jahre fanden die Anwälte langsam ihren Weg ins Revolutionsgericht. Sie waren jedoch mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. Entweder wurde ihnen weiterhin der Eintritt in die Gerichtssäle untersagt, oder ihnen war die aktive Verteidigung nicht gestattet. Und wenn doch, wurden ihre Vorträge nicht schriftlich dokumentiert.

Andere Schwierigkeiten ergaben sich in Bezug auf die Angeklagten, die zu Unrecht beschuldigt wurden. Ihnen wurde nahe gelegt, keinen Anwalt für Menschenrechte zu wählen, da das Gericht darauf gereizt reagieren würde. Die Angeklagten, die sich in dieser komplizierten Situation befanden und wie jeder andere Mensch nach Freiheit strebten, verzichteten daraufhin auf einen Anwalt für Menschenrechte, um dem Gericht wohlwollend gegenüber zu stehen und einer harten Strafe zu entgehen. Am Ende bekamen die Angeklagten dennoch die harte Strafe.

4) Mittlerweile nehmen die Ereignisse in Gerichtssälen, und insbesondere in den Revolutionsgerichten, einen anderen Lauf. Mehrfach habe ich gesehen und gehört, dass sich jemand Fremdes während einer Verhandlung oder im Gefängnis als Pflichtverteidiger des Angeklagten vorgestellt hat und der Richter dies bewilligte. Die Angeklagten, die eben erst aus der Einzelhaft in den Gerichtssaal geführt wurden, sind schlagartig verwirrt und überfordert. Urplötzlich verschwindet ihr bisheriges Wissen über ihr Recht auf freie Anwaltswahl. Sie sind derart verunsichert, dass sie an ihrem eigenen Wissen zweifeln. Dieser heikle Vorgang führt zu einem kompletten „Blackout“. In dieser Situation beginnt der ihm bislang unbekannte Anwalt den Angeklagten psychisch unter Druck zu setzen. Systematisch wird er bis zum Äußersten gedrängt, so dass er sich schuldig bekennt.

Nun versucht das Gerichtssystem, sogar die minimal errungene Präsenz der Anwälte wieder zurückzudrängen. Rechtsanwälte werden verhaftet, langjährige Haftstrafen verhängt und letztendlich wird ihnen die Berufserlaubnis entzogen. Nichtsdestotrotz stehen die Anwälte weiterhin zu ihrem Schwur. Wie die Anwälte Abdolfattah Soltani und Mohamad Seyfzadeh, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.

Wir fordern die Freilassung dieser beiden Personen, sowie aller anderen Anwälte, die sich für die Verteidigung der politischen Angeklagten eingesetzt haben und sich aus diesem Grund nun im Gefängnis befinden.

Zur Autorin

Die iranische Anwältin Nasrin Sotoudeh gilt als eine der bedeutendsten Menschenrechtsverteidigerinnen der Gegenwart. Im Jahr 2012 ehrte sie das Europäische Parlament für ihre Arbeit mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit. Sie ist Mitglied des Kuratoriums der IGFM. Für ihre Menschenrechtsarbeit war Nasrin Sotoudeh mehrfach im Gefängnis.

von Nasrin Sotoudeh
Teheran, im November 2014, übersetzt von S. Kazemi

Quelle: www.igfm.de/

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